Für die erste Breitensport-Studie zu sexualisierter Gewalt wurden fast 4.400 Sportvereinsmitglieder aus elf Landessportbünden befragt.

Hände mit Schriftzug STOP @Witters Sportfotografie

Wissenschaftler*innen der Bergischen Universität Wuppertal und des Universitätsklinikums Ulm untersuchen seit August 2020 im Forschungsprojekt „SicherImSport“ die Häufigkeiten und Formen von sexualisierten Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im Vereinssport sowie den Umsetzungsstand von Schutzmaßnahmen in Sportverbänden. An dem vom Landessportbund Nordrhein-Westfalen geförderten bundesweiten Projekt beteiligen sich zehn weitere Landessportbünde, darunter auch die Hamburger Sportjugend (HSJ).

Erste Ergebnisse der Studie zeigen bisher, dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im Vereinssport vorkommen. Ein großer Teil der Sportverbände hat dieses Problem erkannt und Maßnahmen zur Prävention eingeführt. Der weitere Ausbau von Maßnahmen zum Schutz vor Belästigung und Gewalt sowie Anlaufstellen und Unterstützungsangebote für Betroffene im Sport sind wichtig.

An der Onlinebefragung nahmen 4367 Vereinsmitglieder aus Deutschland teil. Damit ist die Befragung die größte Studie zu diesem Thema in Deutschland. Nach den Ergebnissen der „Safe Sport“-Studie aus dem Jahr 2016 können die Forscher*innen nun auch Daten zum Breitensport vorlegen.

Erste Zwischenergebnisse
Ein Viertel der befragten Vereinsmitglieder (26%) erfuhr mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen oder Belästigungen (ohne Körperkontakt) im Kontext des Vereinssports, z. B. in Form von anzüglichen Bemerkungen oder unerwünschten Text-/ Bildnachrichten mit sexuellen Inhalten. Knapp ein Fünftel der Befragten (19%) erfuhr mindestens einmal sexualisierte Belästigung oder Gewalt mit Körperkontakt, z. B. sexuelle Berührungen oder sexuelle Handlungen gegen den Willen. Auch weitere Formen der Verletzung oder Gewalt wurden in der Studie erhoben. So gaben sechs von zehn Personen (64%) an, mindestens einmal emotionale Verletzungen oder Gewalt im Vereinssport erlebt zu haben, also z. B. beschimpft, bedroht oder ausgeschlossen worden zu sein. Vier von zehn Personen (37%) erfuhren mindestens einmal körperliche Verletzungen oder Gewalt, z. B. in Form von geschüttelt oder geschlagen werden und eine von zehn Personen (15%) erfuhr mindestens einmal Vernachlässigung im Vereinssport, z. B. trotz Bedarf, keine angemessene medizinische Versorgung erhalten zu haben.

Unterschiede zwischen Leistungs- und Breitensport
Zusammengefasst gaben gut zwei Drittel (69%) der Befragten an, mindestens einmal irgendeine Form dieser negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Vereinssport gemacht zu haben. Insgesamt wurde in der Hälfte der Fälle von wiederholten negativen Erfahrungen berichtet, vor allem bei emotionaler und körperlicher Gewalt.

Zugleich gab die Mehrheit der Befragten an, mit dem Vereinssport insgesamt allgemein gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht zu haben. Bei den meisten Vereinsmitgliedern scheint somit der Vereinssport mit überwiegend positiven Erfahrungen verbunden zu sein.

Je höher das sportliche Leistungsniveau ist, desto größer scheint das Risiko zu sein, von Belästigung oder Gewalt betroffen zu sein. So berichten beispielsweise 84 Prozent der Befragten, die auf internationaler Ebene im Leistungssport aktiv waren, mindestens eine Erfahrung von Belästigung oder Gewalt. Dies trifft im Vergleich auf 53 Prozent derjenigen zu, die im Freizeit- oder Breitensport aktiv waren.

In einer weiteren Teilstudie des Forschungsprojektes nahmen 92 Stadt- und Kreissportbünde sowie 215 Sport-Fachverbände in fünf Bundesländern teil und gaben mittels eines Fragebogens Auskunft über den Stand der Prävention und Intervention in ihrer Organisation. Fast alle befragten Verbände bestätigen, dass die Prävention von Gewalt allgemein und insbesondere der Schutz vor sexualisierter Gewalt ein relevantes Thema für sie ist.

Situation in Hamburg
Um Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, unterstützt die HSJ Sportvereine und Fachverbände in der Präventions-, Interventions- und Aufarbeitungsarbeit. Mit der „Vereinbarung zum Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen gemäß § 72a Achtes Buch Sozialgesetzbuch“, welche die HSJ mit der Hamburger Sozialbehörde abgeschlossen hat, knüpft sie die Fördermittel für die Mitgliedsorganisationen des Hamburger Sportbundes (HSB) an die Umsetzung des Stufenmodells der Deutschen Sportjugend im DOSB (dsj) und geht in einigen Maßnahmen darüber hinaus.

Die ersten drei Stufen werden in Hamburg seit 2014 umgesetzt; alle weiteren Stufen müssen seit dem 01.01.2021 bis zum 31.12.2022 umgesetzt werden. Die Inanspruchnahme von HSJ-Fördermöglichkeiten ist an den Nachweis der Umsetzung geknüpft.

Daniel Knoblich, HSJ-Geschäftsführer, erklärt: „Gewalterfahrungen sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, auch im organisierten Sport müssen wir uns dieser Herausforderung stellen. Dabei ist es am wichtigsten, Kindern und Jugendlichen zu zuhören und sie ernst zu nehmen. Wenn im Verein klar kommuniziert, hingesehen und frühzeitig eingeschritten wird, können wir das Risiko sexualisierter Gewalt gemeinsam verringern.“

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es hier.

Hilfsangebote für Beratung oder Unterstützung
Wenn Sie selbst oder Personen in Ihrem Umfeld belastende Erfahrungen gemacht haben und Sie Unterstützung oder Beratung suchen, können Sie sich an folgende Hilfsangebote wenden, die alle kostenfrei und anonym sind:

Mehr Informationen zur Studie:
Prof. Dr. Bettina Rulofs (rulofs@uni-wuppertal.de)
PD Dr. Marc Allroggen (marc.allroggen@uniklinik-ulm.de)

Mehr Informationen zur Umsetzung im Hamburger Sport:
Daniel Knoblich (d.knoblich@hamburger-sportjugend.de)